Immer wieder verfolgte ich in letzter Zeit Gespräche darüber, dass die Bloggerwelt einfach nicht mehr das ist, was sie einmal war. Die guten alten Zeiten… Irgendwie war früher alles lockerer, freundschaftlicher, authentischer. Aber wann war eigentlich dieses früher? Und habe ich vielleicht die notwendigen Änderungen einfach verschlafen?
Du musst deine Nische finden. Du musst regelmäßig und mindestens 4x in der Woche bloggen. Du musst einen cleanen Instagram Feed haben. Du musst einen Content Plan für Facebook haben. Du musst Pinterest verwenden, um mehr Traffic zu bekommen. Du musst auf Events gehen. Du musst im Gespräch bleiben. Du musst dieses. Du musst jenes. Alles was mir dazu einfällt ist meine Mutter zu zitieren. Wenn ich ihr damals sagte, dass ich ganz unbedingt da- oder dorthin muss, pflegte sie zu sagen: „Kind, man muss gar nichts. Man muss nur irgendwann einmal sterben und selbst das kostet das Leben.“
Früher habe ich nur die Augen verdreht und mit einem genervten „Ach Mamaaaaa…“ geantwortet. Inzwischen bin ich entweder so alt oder so reif, dass ich mich selbst dabei ertappe, wie ich fast genau dasselbe denke oder sogar sage. Dann habe ich für eine Sekunde ein ganz starkes Déjà-vu und weiß nicht, auf welche Seite ich eigentlich schwanken soll. Am liebsten würde ich die Augen verdrehen und genervt „Ach Vickyyyyyyy…“ rufen. Aber die Logik hinter dieser Aussage ist schwer zu leugnen. Und irgendwie muss ich auch einfach zugeben, dass ich nicht zufriedener werde, je mehr ich muss, je mehr ich mich für dieses Müssen abstrample und je mehr ich versuche wie die anderen zu sein.
Für mehr Traffic, für mehr Reichweite, für mehr Professionalität.
Das kurioser an der Sache ist Folgendes: Wenn ich viel zu tun habe, bin ich wenig in den sozialen Medien unterwegs, schaue selten auf Facebook und bin so gut wie nie auf Twitter. Das sind aber auch die Tage, an denen ich mir kaum Gedanken darüber mache, was ich noch tun müsste. Für mehr Traffic, für mehr Reichweite, für mehr Professionalität. Und wenn ich dann wieder sehe, was „die anderen“ alles machen, alles schaffen, alles beeinflussen fühle ich mich manchmal klein und dumm. Weil ich nicht selbst drauf gekommen bin. Weil ich es einfach für völlig verrückt und unwahrscheinlich gehalten hätte, dass jemand Veganer wird, nur um das medial so richtig auszuschlachten. Dass man die neuesten Deignertaschen bestellt, fotografiert und zurückschickt um „in der Szene“ immer die erste mit dem aktuellsten It-Teil zu sein.
Und dann frage ich mich, ob das meine Welt ist. Ob ich so sein könnte. Nur für Klicks. Für Zahlen. Für den schönen Schein. Vielleicht muss ich ja. Aber vielleicht muss ich auch einfach nicht. Vielleicht ist gerade dieses Nicht-Müssen das, was der Bloggerwelt inzwischen ein bisschen fehlt. Alle sprechen von Authentizität. Du musst authentisch sein. Aber wenn man genau nach dieser Authentizität sucht ist es das, was man nicht findet. Wenn man immer alles muss, bleibt vielleicht gar kein Platz mehr für Authentizität. Und vielleicht, ganz vielleicht, sollten wir alle ein bisschen weniger müssen und ein bisschen mehr darüber nachdenken, was uns wirklich glücklich macht. Was Erfolg für uns bedeutet. Vielleicht sind das gar nicht vorrangig Klickzahlen, Follower, Seitenaufrufe… Vielleicht ist es das, weshalb wir damals überhaupt mit dem Bloggen angefangen haben. Bevor wir plötzlich alles mussten. Aber was war das nochmal? Ich muss mich erstmal wieder daran erinnern…
Kampagne: Man kann nicht authentsich genug sein
Im Anschluss an meine wirren Gedanken möchte ich dir eine Kampagne vorstellen, die mich ein bisschen zum Nachdenken angeregt hat. Das dänische Designunternehmen Georg Jensen möchte damit Frauen auf der ganzen Welt ermutigen sie selbst zu sein und ihren eigenen Erfolg zu schaffen. Die Botschaft dieser Kampagne ist deutlich: Man kann nicht authentisch genug sein. Und das möchte ich vor allem mir auf den Weg geben. Egal was ich mache, egal was ich alles muss. Wichtig ist am Ende immer, ob ich mich gut oder schlecht dabei fühle. You can never be too much you…
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Was für ein toller Text liebe Vicky. Ich selbst habe nur meinen Blog und keine Social Media Kanäle, weil ich möchte das der Blog im Vordergrund steht. Social Media wäre mir viel zu viel (obwohl ich mich manchmal dabei ertappe, von einem Instagram Account zu träumen). Aber nein, ich bleibe bei dem Blog. Ich denke eben, dass ein guter Blog alleine schon für mehr Traffic ausreicht. :-*
viele liebe Grüße
Melanie / http://www.goldzeitblog.blogspot.de
Ich bin auch immer für guten Content an erster Stelle. Der Rest ist Unterstützung. Es ist ja nicht so, dass ich Instagram oder Facebook verabscheue, ich mag es ja, sonst würde ich es nicht machen. Aber ich finde, man kann dem auch zu viel Zeit und Wert zumessen. Meiner Meinung nach zählt guter Content. Das ist etwas Dauerhaftes. Instagram und Facebook Posts dind doch ohnehin bald wieder aus der Timeline verschwunden…
Ach, da sprichst du wirklich ein Thema an, das in aller Munde ist, finde ich. Mich nervt dieses ganze Gemecker inzwischen fast schon – früher war alles besser und heutzutage setzt einen alles so unter Druck.
Aber das liegt doch alles nur an unseren veränderten Ansprüchen an das eigene Werk und den Zielen. Man kann auch heute noch bloggen wie „früher“, schätze ich. Sicher weiß ich das aber nicht, weil ich mit meinen 4 Jahren Blogerfahrung ja doch zu den „neueren“ Bloggern zähle…
Stress mache ich mir aber nicht. Ich muss eben nicht alle social Media Kanäle haben… mir reicht nämlich Twitter, also nutze ich auch nur das. Und wenn ich mal keine Lust habe zu bloggen, dann gibt es auch nur 1-2 Beiträge die Woche… und Werbung für meinen Blog mache ich auch nicht. Wozu denn, wenn ich nur aus Spaß blogge, weil ich meine Gedanken gern festhalte?
Ich muss sagen, dass ich so gut wie nur authentische Blogs in meiner Leseliste habe. Aber das mag auch daran liegen, dass ich Fashion und Beauty meide und gerade in diesen Bereichen der Schein vom perfekten Blogger ja am wichtigsten zu sein scheint, oder? Gerade viele Blogger in meinem Alter haben sich einfach auch noch nicht so stark professionalisiert, auch wenn ihre Blogs wunderschön sind. Und genau das liebe ich!
Den Gedanken der Kampagne finde ich einfach nur schön! Seit einer Weile fällt es mir glücklicherweise sehr leicht, mehr ich zu sein, weil ich mir immer wieder sage, dass alle Menschen, die mich nicht mögen wie ich bin, es auch nicht wert sind, dass ich mich für sie verstelle.
Liebe Grüße
Ja, da gebe ich dir recht. Der Schein vom perfekten Blog ist offensichtlich wirklich sehr wichtig. Dabei machen für mich gerade Ecken und Kanten (und manchmal etwas nicht ganz so perfektes) eine wirkliche Person aus. Bei wem ist schon alles immer perfekt?
Eigentlich würde ich immer sagen: bleib authentisch! Lass‘ Dich von den anderen nicht beeinflußen. ABER das ist leichter gesagt als getan. Zumindest wenn man seinen Blog professionell betreibt und beruflich davon abhängig ist. Dann kann man sich kaum aus dem Kampf um mehr Follower, mehr Influence etc. zurückziehen. Von daher verstehe ich gut, wenn Dir diese Entwicklung Kopfzerbrechen bereitet.
Genau das meine ich. Allerdings frage ich mich immer öfter, ob es nicht auch anders geht…
Sehr guter Post! Ich frage mich oft auch was das für ein Leben ist, das manche Insta-mädels da führen. Die hängen nach eigenen Angaben teilweise 5 Stunden am Tag da drin? WHAT? Für mich ist das irgendwie unvorstellbar. Das eigene Leben so aufgeben nur um ein VIP zu werden? Ich weiss ja nicht…Will man nicht erfolgreich werden um mehr Freizeit zu haben, statt weniger? Irgendwie wäre Influencer glaub ich nicht der richtige Job für mich und ich bin auch der Meiniung das einen das irgendwann auffrisst.
Liebe Grüsse
Sylvia
http://www.mirrorarts.at/
Da kann ich dich gut verstehen, mir geht es zum Teil auch ganz gleich. Ich muss auch sagen, dass ich gar nicht die Zeit hätte, 5 Stunden auf Insta zu hängen. Da sind mir so viele andere Dinge viel wichtiger.
Oh wie du mir aus dem Herz sprichst. Meine Mum hat ähnliches zu mir gesagt, danke fürs erinnern, ich neige nämlich schon fast an dem Muss was ich mir eigentlich selber auferlegt habe zu zerbrechen. Danke für den Artikel.
Ich kann dich sehr gut verstehen. Ich mache mir damit auch oft genug selber Druck.
Ein sehr schöner Beitrag! Das mit dem Müssen ist wirklich schwierig. Ich verliere, wenn ich etwas MUSS schnell die Lust bzw. setzte mich zu sehr unter Druck. Erst vor ein paar Wochen war es so, weil ich meinte, dass ich ja unbedingt und immer 3-4 x pro Woche posten MUSS. Das ist Blödsinn, denn ich selbst kann ja entscheiden, ob und wann ich etwas posten möchte. Mit dieser Einsicht klappte das Beiträge verfassen gleich dreimal so gut. Ich nehme mir das mit dem Müssen und nicht Müssen auf jeden Fall verstärkt zu Herzen. Es ist doch so viel schöner, etwas nicht zu müssen.
Das kenne ich nur zu gut. Ich hab das Gefühl immer, wenn ich auf Urlaub fahre und dann glaube, dass ich die ganze Zeit vorplanen „muss“. Das stresst mich dann und ich frage mich, ob ich das wirklich „muss“…
Word!
Ich fühle mich diesem ganzen Druck, dem vielen Müssen und der gewaltigen Konkurrenz mittlerweile auch einfach nicht mehr gewachsen. „Du musst besser ausschauen“, „Du musst dein Gesicht mehr in die Kamera halten“, „Du musst öfter bloggen“, „Du musst mehr netzwerken“ – ich pack es einfach nimmer. Da gibt es tatsächlich Leute, die im Restaurant gigantische Burger bestellen um sie zu fotografieren und zurückgehen zu lassen (Size Zero, you know) und ihre Partner in Fotoausbildungen schicken um das perfekte Instagrambild hinzubekommen. Da kommen Blogs aus dem Nichts, die mit Businessplan vom Reißbrett und Generalstab im Nacken gewinn- und reichweitenoptimiert Follower scheffeln – das hat für mich nichts mehr mit Bloggen zu tun. Und ich fühl mich in dieser Welt einfach nicht mehr wohl.
Danke für deinen Kommentar! Ich kann nur sagen, du sprichst mir aus der Seele. Ich plane zwar auch gerne, mache meine Sachen ordentlich, knipse lieber noch 10 Fotos mehr… Aber die Blogs, die im Moment zum Teil aus dem Boden schießen haben für mich – wie du sagst – mit dem ursprünglichen Blog-Gedanken wenig bis gar nichts mehr zu tun. Ich frage mich da auch manchmal: Wie soll man da mithalten? Da kann man doch nur unter gehen. Vor allem, wenn man seinen Blog bewusst nicht 24 Stunden am Tag betreiben, sondern auch noch andere Jobs oder Projekte machen möchte. Ich bin kein 24/7 Selbstdarsteller, möchte es nicht werden. Aber manchmal habe ich das deprimierende Gefühl, dass es nur noch so geht. Das macht mich traurig.